Lag wohl mit an der Nachricht meines Verlags, dass sie die Trilogie nach dem ersten Band beenden, weil es kaum Käufer gibt.
JAHA - das IST ein Wink mit dem Zaunpfahl ;) Und ehrlich, soooo teuer ist das Buch nicht. Probiert es doch einfach, auch wenn ihr keine so wirklichen Fantasy-Freunde seid. Es lohnt sich durchaus.
Das andere Buch ist zwar ein bisschen teurer, aber kostet dennoch nicht mehr als etwa drei dieser Wochenzeitschriften, die sich viele so gerne antun, um in Sachen Mode und Tratsch auf dem Laufenden zu sein.
Wer jetzt immer noch zweifelt und lieber wissen will, wie ich denn so schreibe, für den hab ich was. (Für die anderen natürlich auch, klar)
Ich werde hier in den nächsten paar Wochen die allererste Geschichte, die von mir veröffentlicht wurde, zum Lesen freigeben. Kapitel für Kapitel.
'Die Macht der Phantasie' ist in der Geschichtensammlung 'Welt der Geschichten II' erschienen, die bereits vergriffen ist.
Die Macht
der Phantasie
IN
PRINCIPIO ERAT VERBUM
Kapitel I - Maskenball
Gedankenverloren stand Gwendolin
vor dem Spiegel und kämmte sich die langen, dunklen Haare. Heute Abend würde
sie Oliver das erste Mal sehen. RICHTIG sehen, nicht nur auf einem Foto.
Wie es wohl war, von Angesicht zu
Angesicht mit ihm zu sprechen? Nicht nur über Telefon, sondern ihn tatsächlich
zu hören und dabei auch zu sehen. In real live, wie es so schön genannt wurde.
Nun, bald würde sie es wissen.
Gwendolin wandte sich vom Spiegel
ab und betrachtete das Kleid, das sorgsam auf einem Bügel an der Schranktüre
hing. Dunkelblau war es, mit silbernen Verzierungen und hübschen Stickereien
auf dem Oberteil und an den Ärmeln. Hoffentlich stolperte sie nicht über den
Saum, denn es reichte bis auf den Boden. Es hatte sie viel Arbeit – und auch
etliche Tropfen Blut – gekostet, dieses Kleid zu nähen. Der linke Zeigefinger
schmerzte immer noch vom letzten Stich, den sie prompt daneben gesetzt hatte.
Sie war schon sehr gespannt, ob Oliver sie erkannte.
Ein Maskenball! Diese Idee war
typisch für ihn. Aber warum auch nicht? Zumindest passte es zu ihren
Geschichten, die sie sich oft gemeinsam ausdachten und auch zu Papier brachten.
Meist ging es darin um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse und bisher hatten
sie es noch nie geschafft, eine dieser Geschichten zu Ende zu schreiben. Sie
wussten nicht genau wieso. Vielleicht lag es daran, dass Gwen sich nicht
entscheiden konnten, welche Seite gewinnen sollte. Irgendwann – da war sie sich
sicher – irgendwann würden sie wenigstens EINE der Geschichten beenden.
Zwei Stunden später erreichte
Gwendolin den Ballsaal. In dem langen Kleid zu laufen war doch nicht so schwer,
wie sie zuerst befürchtet hatte. Gleichzeitig fühlte sie sich aber auch wie
eine der Figuren aus ihren Geschichten. Sie spielten fast immer in einer
Märchenwelt und waren angefüllt mit so ziemlich allen Wesen, die ihre Phantasie
hervorbringen konnte: Drachen natürlich, dann Einhörner, sprechende Tiere,
Riesen, Zwerge, Elfen und Feen. Neuerdings kamen auch etwas ausgefallenere
Wesen dazu wie Elementargeister oder exotische Tierkombinationen wie Manticor
oder Greif.
Mit der Zeit hatten sie sich
einen Spaß daraus gemacht, nicht immer dem Klischee der Wesen zu folgen und so
kam es durchaus vor, dass ein Einhorn zum gefährlichsten Gegner des Helden
wurde, der furchtbar aussehende Manticor aber in Wahrheit niemandem etwas
zuleide tun konnte.
Ganz in Gedanken versunken lief
Gwen durch den Ballsaal und ließ die Eindrücke auf sich wirken. Alles war im
mittelalterlichen Stil dekoriert und wunderschön hergerichtet worden.
Pappsäulen sollten den Eindruck vermitteln, man befände sich in einer großen
steinernen Halle und an den Wänden waren hölzerne Tische und Bänke aufgestellt
worden. Auch beim Essen hatte man aufs Detail geachtet: Das Buffet ließ den
Tisch fast zusammenbrechen und bestand hauptsächlich aus Fleisch, Fisch und
Geflügel aller Arten. Dazu gab es etwas Brot und Gemüse, aber keine Kartoffeln
oder sonstigen Beilagen. Wein und Bier wurde in Humpen ausgeschenkt und wer
etwas Antialkoholisches wollte, der musste sich an Wasser oder Milch halten.
Es waren noch lange nicht alle
Gäste eingetroffen und so beschloss Gwen, sich noch etwas umzusehen. Vielleicht
hatte sie ja Glück und fand einen Platz, von dem aus sie den Eingang
überblicken konnte. So hatte sie am ehesten die Chance, Oliver schnell zu
finden.
Eine Stunde später hatte sie ihn
immer noch nicht entdeckt und ihre Stimmung schlug langsam um. Warum war er
nicht gekommen? Es war doch SEINE Idee gewesen, sich hier auf dem Maskenball zu
treffen um sich endlich einmal richtig kennen zu lernen.
Traurig spielte sie mit einem
Ring, den sie an der linken Hand trug. Er war silbern und zeigte eine filigrane
Blume mit einem durchsichtigen Stein in der Mitte. Wie oft hatten sie genau
diesen Ring in eine der Geschichten geschrieben? Meist war er dann magisch und
konnte seinen Besitzer unsichtbar machen, oder er erfüllte drei Wünsche.
‘Wenn das mit den Wünschen doch
nur wahr wäre’, dachte sie bei sich. ‘Dann würde ich mir jetzt wünschen, dass
er endlich erscheint oder ich zumindest eine Nachricht von ihm erhalte.’
Sie hatte noch nicht ganz zu Ende
gedacht, als ein als Gaukler kostümierter Mann an sie herantrat und sie
antippte.
„Verzeihung, Mylady“, sagte er
freundlich. „Aber Ihr wartet nicht zufällig auf Euren Begleiter?“
Erstaunt sah sie zu ihm auf.
„Doch, das stimmt. Kann er doch nicht kommen?“ Vielleicht hatte er ja angerufen
und abgesagt... oder er verspätete sich etwas...
„Das weiß ich nicht, Mylady, aber
ich habe den Auftrag bekommen, der Dame, die hier an diesem Tisch sitzt und auf
ihren Begleiter wartet dies hier zu geben.“
Er drückte ihr eine kleine
Schriftrolle in die Hand, verneigte sich kurz und verschwand dann in der Menge.
Etwas perplex sah sie ihm nach.
Was war das eben gewesen? Egal, erst einmal musste sie wissen, was auf dem
Pergament stand. Mit zitternden Fingern rollte sie das Blatt auf und begann zu
lesen.
Mylady
Es
tut mir schrecklich Leid,
dass
ich Euch diese Nachricht
nicht
selbst überbringen kann.
Glaubt
mir, nichts wäre mir lieber
gewesen,
als Euch persönlich
schon
an der Tür zu empfangen
und
gemeinsam mit Euch einen
wunderschönen
Abend zu
Verbringen.
Leider
wurde ich aufgehalten, doch
wenn
Ihr Euch in den zweiten
Stock
begebt, so wird sich alles
aufklären.
Wartet
vor dem Wandteppich auf mich,
er
birgt das Geheimnis.
Untertänigst,
Lyran
Lyran! So nannte Oliver oft seine
Figur in ihren Geschichten. Aber warum schrieb er so seltsame Sachen? War es
ein Spiel von ihm?
Rasch erhob sich Gwendolin und
ging hinaus in den Vorraum der Halle. Von dort führte eine Treppe in den
zweiten Stock. Das Treppenhaus war nicht beleuchtet, denn eigentlich sollte der
Ball nur unten im Saal stattfinden.
Verstohlen sah sie sich um.
Niemand schien sie zu beachten und so stieg sie vorsichtig, um nicht über den
Saum zu stolpern, die Marmorstufen hinauf.
Der Gang vor ihr lag in völliger
Dunkelheit. Einen Lichtschalter konnte sie nicht finden, doch auf einem kleinen
Tischchen gleich neben der Treppe stand ein dreiarmiger Kerzenleuchter und
direkt daneben lag ein Päckchen Streichhölzer. Sie überlegte nicht lange und
entzündete die Kerzen. Die Streichholzschachtel steckte sie unbewusst ein, ehe
sie den Leuchter in die Hand nahm und sich auf die Suche nach dem genannten
Wandteppich machte.
Ihre Schritte hallten unheimlich
von den Wänden wieder und von der Feier unten war kaum etwas zu hören. Es war,
als befände sie sich in einer anderen Welt.
Ohne dass sie es merkte wurden
ihre Schritte kleiner und schließlich blieb sie ganz stehen. Sie drehte leicht
den Kopf und sah, dass sie gerade vor dem gesuchten Teppich stand. Nun
musste sie also nur noch warten.
Die Zeit schien ihr endlos und
langsam wusste Gwen nicht mehr, ob sie nicht doch besser umkehren sollte. Bestimmt
hatte er sich nur einen Scherz erlaubt und wartete mittlerweile unten im Saal
auf sie.
Sie wollte gerade gehen, als sie
einen Windhauch spürte.
‘Seltsam’, dachte Gwen. ‘Hier ist
doch nirgends ein Fenster offen.’
Suchend sah sie sich um. Nein, es
gab tatsächlich nirgends ein offenes Fenster und auch die Türen waren alle
geschlossen.
Wieder dieser Luftzug. Und was
war das? Das klang doch nach einem Kauz. Doch wie sollte hier ein Käuzchen
hereinkommen? Hastig drehte sie sich um. Langsam aber sicher wurde es
unheimlich. Was war hier nur los?
Nun stand sie direkt vor dem
Wandteppich. Gwen hielt den Kerzenleuchter höher und besah ihn sich genauer. Im
flackernden Kerzenlicht wirkte das Bild fast lebendig. Die Blätter an den
Bäumen schienen sich zu bewegen und auch das Kaninchen sah fast so aus, als
hätte es gerade mit den Ohren gezuckt.
Sie trat einen Schritt näher. Der
Teppich zeigte einen phantastischen Wald. Seltsamerweise bei Nacht und trotzdem
waren viele Tiere abgebildet. Sie sah genauer hin. Ja, tatsächlich, auf einem
der Äste saß ein Kauz.
‘Ich werde noch verrückt!’,
schoss es Gwendolin durch den Kopf. Jetzt FÜHLTE sie den Luftzug nicht nur,
jetzt SAH sie ihn auch schon. Die Blätter an den Bäumen hatten sich ohne
Zweifel bewegt und auch das Kaninchen war verschwunden. Dabei war sie sich ganz
sicher, dass es gerade eben noch hier gewesen war.
Sie trat noch einen Schritt näher
und stolperte plötzlich über etwas Weiches. Im Fallen sah sie nach unten und
entdeckte eben dieses Kaninchen, das nun vor ihren Füßen saß. Sie streckte die
Hände vor, um sich an der Wand abzustützen, aber dort war keine Wand mehr. Es
gab nichts, was ihren Sturz aufhalten konnte. Mit einem Aufschrei kippte sie
weiter, hinein in einen Strudel aus Farben und Formen. Alles verschwamm vor
ihren Augen und irgendwann schaltete ihr Gehirn ab und sie fiel in eine
erlösende Ohnmacht.