Aber man kann es sich ja nicht aussuchen, nicht?
Kapitel II - Aldath
Etwas raues, Feuchtes strich über
ihre Hand und holte sie damit in die Wirklichkeit zurück. Gwendolin schlug die
Augen auf, nur um sie sofort wieder zu schließen.
‘Ich träume’, dachte sie. ‘Ich
bin umgefallen und hab mir tierisch den Kopf gestoßen, das KANN einfach nicht
wahr sein.’
Blätter rauschten geheimnisvoll
im Wind und der klagende Schrei eines Käuzchens durchschnitt die Nacht.
‘Aber WENN ich träume, dann ist
das der realistischste Traum den ich je hatte’, spann sie ihren Gedanken
weiter.
Mittlerweile stieg ihr auch der
Geruch feuchter Erde in die Nase und so öffnete Gwen ihre Augen erneut.
Es war immer noch Nacht, aber sie
war keinesfalls mehr auf dem Maskenball. Sie lag auf einer kleinen Lichtung
inmitten eines Waldes. Der Boden war mit Moos bewachsen und Büschel von
Farnkraut wuchsen hier und da unter den Bäumen. Der Mond stand rund und voll am
tiefschwarzen Himmel, begleitet von vielen kleinen funkelnden Sternen.
Erneut erklang der langgezogene
Käuzchenruf und ließ sie erschaudern.
Langsam setzte sie sich auf und
sah sich genauer um. War da vorhin nicht etwas an ihrer Hand gewesen? Doch!
Keine zwei Schritte entfernt saß ein junger Fuchs und sah sie aus großen,
intelligenten Augen an.
Ihr erster Gedanke war: Hilfe!
Der hat bestimmt die Tollwut, wenn der so nahe an mich rankommt.
Nur mit Müh und Not gelang es ihr
die Panikattacke zu unterdrücken. Gwendolin
wandte den Kopf ab, ließ ihren Blick über die Umgebung schweifen, kehrte
jedoch immer wieder zu dem Tier zurück, das sich nicht von der Stelle rührte.
„Ha... hallo, Kleiner“, sagte sie
schließlich – hauptsächlich um ihre Stimme zu hören. „Du kannst mir vermutlich
auch nicht sagen, wo ich hier bin, was?“
„Sicher kann ich das.“
„Ah!“ Mit einem Aufschrei sprang
sie auf die Beine und wich vor dem Fuchs zurück, der sie weiterhin reglos aus
seinen schwarzen Augen ansah.
„Ich... ich glaub ich werd
langsam wirklich verrückt“, murmelte sie. „Jetzt red ich schon mit Füchsen und
bild mir auch noch ein, dass sie antworten...“
„Warum einbilden?“
Der Fuchs stand auf, streckte
sich und gähnte herzhaft. „Wenn ich allerdings so lange geschlafen hätte wie
DU, dann würde ich mich vermutlich auch fragen, ob ich nicht doch noch träume.“
Lange geschlafen? „Wie... wie
lange hab ich denn... geschlafen?“, wollte sie wissen.
„Sag mal... fängst du jeden Satz
damit an, dass du das erste Wort verdoppelst?“, wollte der Fuchs neugierig
wissen ohne ihre Frage zu beantworten.
„Wie? Nein... nein, normalerweise
nicht“, antwortete sie automatisch.
„Na dann bin ich ja beruhigt“,
erwiderte der Fuchs. „Ich bin übrigens Jacques“, fuhr er fort zu erzählen. „Und du hast jetzt
drei Stunden hier gelegen ohne dich zu bewegen.“
„Gwendolin“, stellte sie sich vor
und fragte sich zum x-ten Mal, was ihre Eltern dazu gebracht hatte, sie mit
diesem Namen zu strafen. „Aber alle sagen nur Gwen. Drei Stunden sagst du? Ich
weiß immer noch nicht so genau, was überhaupt passiert ist.“
„Naja...“, druckste Jacques
herum. „Cillie, das Kaninchen, sollte dich herbegleiten, aber dabei ist wohl
etwas schiefgelaufen. Wie auch immer, jedenfalls bist du, kaum dass du da
warst, einfach umgefallen und liegen geblieben.“
„Dann hab ich mir das Kaninchen
also doch nicht eingebildet... Moment. Willst du etwa sagen, dass ich mich in
dem Wandteppich befinde?“ Gwen wollte es kaum glauben.
„Teppich? Was für ein Teppich?“
Verständnislos sah sie der kleine Fuchs an. „Du bist hier in Aldath und wir
sollten dich im Auftrag unseres Meisters holen.“
„Und wer ist euer Meister?“
„Na Lyran natürlich. Du hast doch
seine Nachricht bekommen, sonst wärst du jetzt nicht hier.“
„Lyran“, wiederholte Gwen. Er war
also tatsächlich hier.
*
Weit entfernt in einem dunklen
Turm blickte eine schwarzgekleidete Gestalt in ihre Kristallkugel. Mit dieser
Kugel war es ihr möglich, jeden Winkel des Landes zu beobachten und sei er noch
so klein und unzugänglich. Nichts blieb dem magischen Auge verborgen. In diesem
Moment zeigte der Kristall das Bild eines Mädchens, das sich mit einem Fuchs
unterhielt.
„Sieh an, sie haben es also
tatsächlich geschafft“, murmelte die Gestalt und strich sich über das Kinn.
„Fragt sich nur, ob es eine so gute Idee von ihnen war.“
*
„Mir ist kalt“, jammerte Gwen und
schlang die Arme um ihren Körper. Seit knapp einer Stunde folgt sie Jacques
jetzt schon durch den nächtlichen Wald. Immer wieder fragte sie sich, ob sie
das richtige tat. Wäre es nicht besser gewesen, nach einem Rückweg zu suchen?
Andererseits... wenn es tatsächlich Lyran war, der sie hierher gerufen hatte,
dann kannte er bestimmt auch einen Weg zurück nach Hause.
„Es dauert nicht mehr lange“,
versuchte der Fuchs sie zu trösten. „Bald kommen wir an die Hütte der alten
Margowa. Sie sieht zwar recht seltsam aus und gibt sich auch etwas ruppig, aber
sie hat das Herz am rechten Fleck und bestimmt noch etwas Suppe für dich
übrig.“
Die Aussicht auf einen Teller
heiße Suppe ließ Gwen ihre momentanen Sorgen vergessen. Erst jetzt merkte sie,
WIE hungrig sie tatsächlich war. Kein Wunder, vor lauter Aufregung hatte sie
fast den ganzen Tag nichts gegessen und auf dem Ball hatte sie ebenfalls keine
Zeit mehr gehabt, sich um ihr leibliches Wohl zu kümmern.
„Dort drüben ist es“, riss
Jacques sie erneut aus ihren Gedanken. „Gleich unter der dicken Hainbuche
kannst du ihre Hütte sehen.“
Dicht an den Stamm eines
knorrigen Baumes gedrückt stand dort ein windschiefes Häuschen, das bestimmt
beim nächsten stärkeren Luftzug auseinanderbrach. Zumindest war sich Gwen da
sehr sicher. Und DORT sollte jemand wohnen? Zuhause hätte sie nie im Leben auch
nur einen Fuß in diese Hütte gesetzt, aber mittlerweile war sie wirklich bereit
für einen Teller Suppe ein solches Risiko einzugehen.
Zaghaft klopfte sie an die Tür
und wartete, dass sie eingelassen wurde.
Schlurfende Schritte waren zu
hören und gleich darauf öffnete sich die Tür und das hässlichste Weib, das
Gwendolin je gesehen hatte, schaute sie an.
© Petra Staufer
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Sorry, dass ich das dazuschreiben muss, aber es kam schon vor.