Och je… ich häng ja schon wieder hinterher.
Sorry, aber ich fürchte, das wird so rasch nicht besser werden. Wir haben hier ein wenig viel zu verarbeiten (danke nein, ich will nicht drüber reden. Auch wenn ihr es sehr lieb meint) da bleibt eben anderes auf der Strecke.
Um so mehr freut es mich, dass doch so viele mitlesen.
Kapitel IV – Dem Tapferen hilft das Glück
In dem Kuvert befand sich ein
schlichter weißer Zettel und für einen Moment war Gwen ziemlich irritiert, als
sie rein gar nichts darauf erkennen konnte. Sie drehte das Stück Papier um,
doch auch auf der Rückseite waren keine Worte zu lesen. Was hatte das nur zu
bedeuten? Warum legte jemand einen blanken Zettel in ein Kuvert und versiegelte
dieses dann?
Gerade wollte sie das Papier
weglegen, als wie von Geisterhand geschrieben Buchstaben aufleuchteten. Sie
flackerten leicht und zusammen mit der rötlichen Farbe erweckten sie den
Eindruck, als würde die Schrift brennen.
Gwen hatte einige Mühe, die
verschlungene, ‚brennende’ Schrift zu entziffern.
Fortes fortuna audiavat
Latein? Damit hatte sie nun ganz
und gar nicht gerechnet. Gwen wusste langsam wirklich nicht mehr, in was sie da
hineingeraten war. Die Schriftzeichen flackerten immer noch, wirkten allerdings
intensiver, auffordernder, gerade so, als drängten sie auf etwas.
„Fortes fortuna audiavat“,
wiederholte Gwen nachdenklich und versuchte sich an den Lateinunterricht aus
der Schule zu erinnern. „Dem Tapferen hilft das Glück.“
Kaum hatte sie die Worte
übersetzt, da erlosch die Schrift wieder und das Papier zerbröselte unter ihren
Fingern.
Verblüfft schüttelte die junge
Frau ihre Hand und der Papierstaub verteilte sich über den Boden. Was war hier
gerade geschehen? War das eine Nachricht an sie gewesen?
Ihr blieb keine Zeit zum
Nachdenken, denn Margowa trat plötzlich ins Zimmer. Etwas misstrauisch sah sie
sich kurz um, doch dieser Eindruck verflog sofort wieder, als sie Gwendolin
ansah.
„Guten Morgen, ich hoffe, du hast
gut geschlafen?“
Gwen nickte bestätigend, kam jedoch
nicht mehr dazu, etwas zu sagen, denn die andere trat bereits an den Schrank
und zog ein Kleid hervor, wie Gwen noch keines gesehen hatte. Es übertraf
alles, was sie sich bisher vorgestellt hatte und hätte sicherlich einer
Prinzessin zur Ehre gereicht.
„Tut mir leid, dass ich dein
Frühstück so abrupt beende“, fuhr Margowa fort und öffnete die Tür zum
Waschzimmer. „Aber wir müssen uns beeilen. Komm.“
Gwen warf nochmals einen kurzen
Blick auf ihre Hand, an welcher immer noch etwas Staub hing, und ihr fiel der
merkwürdige Ausdruck auf Margowas Gesicht ein, als diese ins Zimmer gekommen
war. Doch ein weiterer Blick in die Augen der anderen schob alle Bedenken zur
Seite und so folgte sie ihr ins ‚Badezimmer’.
Zu ihrer Überraschung fand sie
dort tatsächlich eine Sitzbadewanne vor, wie sie es bei einer
Schlossbesichtigung schon einmal gesehen hatte. Das heiße Wasser dampfte noch
leicht. Gwen fühlte sich mit einem Mal furchtbar schmutzig und es überkam sie
das übermächtige Verlangen ein Bad zu nehmen. Ohne darüber nachzudenken ließ
sie sich von Margowa aus dem Kleid helfen und stieg in die Wanne. Es störte sie
dabei weder die Tatsache, dass die andere sie nun nackt sah, noch, dass sie
sich kaum kannten.
Auch als Margowa ihr nach dem Bad
in das frische Kleid half und damit begann ihre Haare zu kämmen und zu
frisieren ließ Gwen alles über sich ergehen als wäre es selbstverständlich. Es
war als stünde sie unter einem Bann, der erst von ihr abfiel als sie das Zimmer
verließen.
War es richtig gewesen? Margowa
hatte sich fast wie eine Dienstbotin verhalten und Gwen hatte es angenommen,
als gäbe es nichts anderes. Gwen schämt sich dafür, doch als sie sich bei der
anderen dafür entschuldigte, winkte diese nur mit einem freundlichen Lachen ab.
*
„Der Zauber beginnt bereits zu
wirken“, murmelte der heimliche Beobachter an der Kristallkugel. „Mal sehen
wohin das noch führt.“
Der Rabe saß nun auf seiner
Schulter und die Gestalt strich ihm übers Federkleid.
*
Gwen war nicht überrascht
gewesen, als sich das Schloss wieder in die windschiefe Hütte verwandelt hatte.
Genauso selbstverständlich stieg sie in die wartende Kutsche, die von vier
weißen Hirschen gezogen wurde und an diesem Ort ziemlich Fehl am Platz wirkte.
Sie freute sich darauf, endlich
Lord Lyran vorgestellt zu werden und damit Antworten auf ihre Fragen zu
bekommen.
Als Margowa und Gwen eingestiegen
waren, hüpfte Jacques auf den Kutschbock und los ging die Fahrt. Es gab weder
Wege noch Pfade – trotzdem blieb die Kutsche nirgends hängen, so eng die Bäume
auch standen. Es war, als machten sie kurzzeitig den Weg frei, um danach an
ihre angestammten Plätze zurückzukehren.
Gwen genoss die Kutschfahrt sehr
und noch mehr erfreuten sie die vielen Blumen, Pflanzen und Tiere, die sie
unterwegs sah. Hier in dieser Welt gab es keinerlei Anzeichen von
Umweltverschmutzung. Alles blühte und gedieh aufs herrlichste. Die Luft war
klar und roch auch ganz anders. Viel frischer und irgendwie... sauberer.
‘Aprilfrisch’, dachte Gwen und
grinste.
Schließlich erreichten sie den
Waldrand und vor ihnen breitete sich eine weite Märchenlandschaft aus. Grüne
Hügel, nur ab und zu unterbrochen von goldgelben Weizenäcker, blauen Bächen,
die sich ihre Wege durch das Grün suchten und am Horizont türmte sich ein
großes Gebirge auf.
Auf einem der Hügel zu ihrer
Linken stand ein Schloss mit vielen Türmchen, deren Fahnen im sanften Wind
schaukelten.
„Das ist unser Ziel“, erklärte
Jacques, ehe Gwendolin fragen konnte. „Das Schloss von Lord Lyran. Es wird
nicht mehr lange dauern, bis wir dort ankommen.“
Leicht nervös begann Gwen auf
ihrem Platz hin und her zu rutschen, denn mit jeder Minute, die verging, wurde
sie aufgeregter. Bald... bald würde sie ihre Antworten erhalten.