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Sonntag, 14. Dezember 2014

Die Macht der Phantasie - Teil 7

Kapitel VII - Flucht


„Die Zeit spielt gegen sie... In zwei Tagen schließt sich das Tor und sie ist hier gefangen.“
Die schwarzgekleidete Gestalt stand am Fenster und blickte hinaus. Ihre Finger spielten mit einem Zettel, welchen ihm sein Rabe gebracht hatte. Der Vogel selbst saß auf dem Fenstersims und sah die Gestalt abwartend an. Er spürte, dass er gleich wieder mit einem weiteren Auftrag losgeschickt werden würde.

*

Mit heftigen Kopfschmerzen wachte Gwen am nächsten Morgen auf. Nur vage erinnerte sie sich, dass Lyran sie zurück auf ihr Zimmer gebracht hatte. Er hatte durch Jacques noch warme Milch kommen lassen und war dann gegangen.
Gwen hasste warme Milch, aber Jacques hatte nicht eher Ruhe gegeben, bis sie zumindest die Hälfte davon getrunken hatte und sie war auch tatsächlich müde geworden.
Kaum hatte sie an den kleinen Fuchs gedacht, da ging auch schon die Tür auf und Jacques kam herein. Er balancierte ein Tablett mit ihrem Frühstück auf dem Kopf und plapperte sofort drauf los.
„Guten Morgen. Na, wie geht es dir? Gut geschlafen? Du siehst blass aus... ich wette du hast dich gestern erkältet. Was läufst du auch nachts durchs Schloss? Noch dazu nur im Nachthemd. Gut, dass dich Lord Lyran gefunden hat...“
„Langsam, Jacques, langsam“, stöhnte Gwen und hielt sich den Kopf. „Du redest wie ein Wasserfall.“
Der kleine Fuchs neigte den Kopf, ließ das Tablett vorsichtig auf den Boden rutschen und hüpfte zu ihr aufs Bett. Prüfend sah er sie an und hielt schließlich eine Pfote an ihre Stirn.
„Also Fieber hast du keines“, stellte er fest. „Aber ich glaube es ist besser, wenn du dich heute etwas schonst. Lord Lyran war schon sehr in Sorge.“
„Warum denn?“, fragte Gwen erstaunt. „Außerdem sollten wir so schnell wie möglich Oliver finden. Weiß man denn inzwischen, wo dieser Lysander wohnt?“
Jacques sah etwas betreten zur Seite. Genau diese Frage sollte er ja nicht beantworten – so lauteten die Anweisungen des Lords. Er hatte nachts schon gemerkt, dass mit Gwen etwas nicht stimmte und sie würde sich erst einmal erholen müssen.
„Jacques, raus mit der Sprache“, forderte Gwen. „WO lebt er.“
„Naja...“, druckste der Fuchs herum. „Gestern kam ein Bote der behauptet, man hätte Lysander gesehen... Er lebt angeblich in einem Turm inmitten einer unwirtlichen Gegend... Aber du glaubst doch hoffentlich nicht, dass du alleine gegen ihn antreten kannst... Noch dazu in diesem Zustand.“
„Wie, in diesem Zustand? Ich habe doch nur Kopfschmerzen“, wunderte sich Gwendolin. „Vertrau mir, es geht mir wirklich gut.“
„Trotzdem darfst du da nicht alleine hin“, bestimmte Jacques. „Anweisung von Lord Lyran. So und jetzt frühstücke und ruh dich aus. Ich seh nachher noch mal nach dir.“ Mit diesen Worten sprang er vom Bett und verließ fluchtartig das Zimmer.

Kopfschüttelnd sah Gwen ihm nach. So wie Jacques sie gerade behandelte kam sie sich fast wie eine Gefangene vor. Fehlte nur noch, dass sie in ihrem Zimmer eingeschlossen wurde.
Nachdenklich widmete sie sich ihrem Frühstück.
‚Es möge auch die andere Seite gehört werden’ hatte einer der Sprüche gelautet. Sollte das jetzt heißen, dass sie sich erst einmal Lysanders Version anhören sollte? Welchen GRUND er gehabt hatte, Oliver gefangen zu nehmen? Aber geriet sie dann nicht selbst in die Hände des Schwarzmagiers, wenn sie das tatsächlich tat? 

Gwen schob das Tablett zur Seite. Sie hatte keinen Hunger mehr. Es war eine verzwickte Situation. Auf der einen Seite hatte sie den Rat bekommen, auch die zweite Version zu hören, aber auf der anderen Seite brachte sie das vielleicht in größte Gefahr – und nicht nur sie, sondern auch Oliver.

Die junge Frau stand auf und dabei fiel ein weiterer Zettel zu Boden. Klar, wie sollte es auch anders sein? Kaum brauchte sie einen Rat, schon bekam sie einen. Gespannt öffnete sie das gefaltete Blatt. Diesmal waren die Buchstaben wieder feuerrot und flackerten leicht.

Incedit in Scyllam, qui vult vitare

„Es gerät in die Fänge der Skylla, wer der Charybdis ausweichen will“, übersetzte Gwen und hatte gleich darauf wieder nur Staub in der Hand.
„Na toll, das hilft mir jetzt ungemein“, meinte Gwen und wedelte die Überreste des Zettels fort.
„Skylla und Charybdis.... Skylla und Charybdis… das hab ich schon mal gehört…Natürlich, die griechischen Sagen. Hm... heißt also, dass ich, sollte ich Lysander ausweichen, einem anderen, genauso gefährlichen Gegner in die Arme laufe? Ermutigend, wirklich.“

Seufzend stand Gwen auf und ging zur Tür. Abgeschlossen... Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Jacques hatte sie tatsächlich eingeschlossen! Dieser kleine Fuchs konnte was erleben, wenn er wiederkam.
Rastlos wanderte sie im Zimmer auf und ab. Es nutzte nichts. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zu der Überzeugung, dass sie tatsächlich Lysanders Meinung einholen musste. Sie musste einfach wissen, WARUM er Oliver entführt hatte.
Allerdings war sie auch sicher, dass Lyran sie nicht einfach gehen lassen würde. Das hatte ja Jacques auch schon angedeutet. Sie würde sich wohl aus dem Schloss schleichen müssen.

Eilig begann Gwendolin den Schrank nach brauchbarer Kleidung zu durchforsten, doch zunächst erfolglos. Die Kleider, die sie fand, waren zwar alle wunderschön, aber denkbar ungeeignet für ihr Vorhaben. Schließlich entdeckte sie ganz hinten im Schrank eine Kombination aus Hose, Hemd und Weste. Eindeutig Männerkleidung, aber wie geschaffen für sie.    
Rasch hatte sich Gwendolin umgezogen. Die Sachen passten ihr wie angegossen. Ihre langen dunklen Haare waren zum Zopf gebunden und sie stopfte sie unter den Kragen der Weste – so gingen sie ihr wenigstens nicht im Weg um.
Nachdenklich trat Gwen ans Fenster und blickte hinaus. Ihr Zimmer lag viel zu hoch, um hinunterzuklettern. Selbst wenn sie wie in einem schlechten Film die Bettlaken zusammenknoten würde, reichte es nicht bis zum Boden...

Als Jacques kurze Zeit später das Zimmer betrat war es leer, das Fenster geöffnet und ein langes Seil aus zerrissenen Bettlaken war an der Fensterbank befestigt.
Der kleine Fuchs erstarrte und machte dann auf dem Absatz kehrt, um so schnell ihn seine Pfoten trugen zu Lord Lyran zu laufen und ihm davon zu erzählen.

Kaum war Jacques verschwunden, öffnete sich der Schrank einen Spaltweit und Gwen lugte vorsichtig hinaus. Sie unterdrückte ein Grinsen, vergewisserte sich, dass niemand mehr im Zimmer war und huschte dann auf den Gang. Endlich konnte sie ihre Suche beginnen.



 © Petra Staufer
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Sorry, dass ich das dazuschreiben muss, aber es kam schon vor.