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Montag, 23. Dezember 2013

Adventkalender 2013 - 23




Wie schon versprochen gibt es heute nochmals eine Weihnachtsgeschichte.
Diese hier ist für kleinere Kinder.
Viel Spaß



Der kleine Drache folgt einem Stern 


Übermütig flog Drago, der kleine Drache, durch die klare Winternacht. Nun, da er endlich das Fliegen gelernt hatte, hielt ihn kaum noch etwas am Boden. Er war ein richtiger Flugkünstler geworden, schlug Saltos in der Luft, schraubte sich hoch in den Himmel und ließ sich im Sturzflug auf die Erde zurückfallen, um dann in einem gewagten Manöver, kurz vor dem Aufprall, in die Waagerechte zu gehen und nur wenige Zentimeter über dem Boden entlang zu sausen. 
Auch in dieser Nacht ging Drago seiner neuen Leidenschaft nach. Gerade flog er ein Stück auf dem Rücken liegend, um die Sterne besser beobachten zu können, als er etwas merkwürdiges sah: Ein Stern leuchtete heute besonders hell. Viel heller als sonst. Drago war sich da ganz sicher, denn gerade dieser Stern war sein Lieblingsstern. Er leuchtete in einem sanften Gelb und unterschied sich dadurch etwas von den anderen Sternen, die entweder weiß, oder ganz leicht hellblau aussahen. 
„Nanu?“, sagte der kleine Drache. „Mein Stern leuchtet doch sonst nicht so hell. Das muss ich mir unbedingt näher ansehen.“ 
Schnell drehte er sich wieder auf den Bauch und begann heftig mit seinen kurzen Flügeln zu schlagen, um seinen Stern so rasch wie möglich zu erreichen. Höher und höher flog er hinauf, doch er kam dem Stern einfach nicht näher. 
Entmutigt ließ Drago sich auf die Erde zurückfallen und landete auf einer Bergspitze. Er lehnte sich mit dem Rücken an einen Felsen und blickte erneut nach oben. 
„Du bist so weit weg, Stern. Viel zu weit für einen kleinen Drachen wie mich. Dabei möchte ich doch so gerne wissen, warum du heute Nacht so hell leuchtest. Geht es dir nicht gut? Hast du Fieber? Als ich einmal krank war und Fieber hatte, sagte meine Mama, ich würde glühen. Vielleicht bist du ja auch krank. Ach Stern, ich würde dir so gerne helfen. Aber vielleicht freust du dich ja auch und strahlst vor Glück. Was ist nur da oben los? Ob ich es noch einmal probieren soll?“ 
Drago überlegte nicht lange, sondern nahm einen großen Anlauf und schwang sich erneut hinauf in den Himmel. Er flog so hoch in seine Flügel trugen und mit einem Mal hatte er den Eindruck, dass sein Stern vor ihm her flog. 
„Stern! Warte doch! Ich möchte doch mit dir reden!“, rief Drago und schlug wie wild mit seinen Flügeln, doch er konnte den Stern nicht einholen. Die ganze Nacht folgte er ihm über den Himmel, bis ihm schließlich die Flügel so weh taten, dass er auf der Erde landen musste. Er suchte sich ein Plätzchen, an dem er ungestört war und sich verstecken konnte. Dort rollte er sich zusammen und schlief ein. 
In der nächsten Nacht sah er wieder hinauf zum Himmel und entdeckte seinen Stern sofort. Er stand noch an der selben Stelle, wie die Nacht zuvor – und er leuchtete immer noch so hell. Drago hatte fast das Gefühl, sein Stern würde ihn rufen. 
Gleich stieß er sich wieder vom Boden ab und flog hinauf in den Himmel. Wieder folgte er seinem Stern die ganze Nacht hindurch ohne ihn einzuholen, doch als der Morgen kam, landete er auf der Erde und versteckte sich im Gebüsch um zu schlafen. 
Abends erwachte Drago, als ihm ein dicker Regentropfen auf die Nase fiel. Er sah hinauf in den Himmel und stellte fest, dass er nichts außer dicken Wolken sehen konnte. Dem ersten Regentropfen folgten weitere und schon bald regnete es wie aus Eimern. 
„Geht weg ihr dummen Wolken!“, schimpfte Drago und wischte sich die Wassertropfen aus dem Gesicht. „So kann ich doch meinen Stern nicht sehen!“ 
Doch die Wolken verschwanden nicht. Traurig stapfte der kleine Drache durch die Nacht. Er ließ seine Flügel hängen und sein Schwanz schleifte über die feuchte Erde. Was, wenn sein Stern heute Nacht weiterzog? Vielleicht würde er ihn dann morgen Nacht gar nicht mehr wiederfinden? 
Drago achtete gar nicht darauf, wohin er lief. Er blickte auf seine Füße, während er einen Schritt nach dem anderen machte und blickte erst wieder auf, als er gegen etwas warmes, weiches lief. Das Etwas sprang auf und schrie erschrocken: „Iah!“ 
Das wiederum erschreckte den kleinen Drachen so sehr, dass er einen Satz rückwärts machte, stolperte und auf seinem Hinterteil landete. 
„Wer... wer bist du?“, fragte er leise und ängstlich. Ein so seltsames und furchterregendes Geräusch hatte Drago noch nie gehört. Gewiss war es ein sehr gefährliches Tier. „Bitte tu mit nichts. Ich wollte dich bestimmt nicht stören.“ 
„Nein nein“, erklang da eine andere, genauso furchtsame Stimme. „Du darfst mir nichts tun. Ich bin nur ein kleiner Esel und ich hab hier auch nur geschlafen und... und... ich schmecke auch gar nicht. Also bitte nicht fressen, ja?“ 
„Du bist ein Esel?“ Die Angst des kleinen Drachen war mit einem Mal wie weggefegt. Neugierig kam er wieder näher und sah sich den kleinen Esel an. Er konnte ihn in der dunklen Nacht kaum erkennen, aber er sah ganz deutlich, dass dieses Tier lange Ohren hatte, vier dürre Beine und einen Schwanz. „Keine Angst, ich fress dich schon nicht. Ich heiße Drago und ich bin ein Drache.“ 
„Ein Drache?“, fragte der kleine Esel erstaunt. „Ich habe noch nie einen Drachen gesehen.“ 
„Macht doch nichts... ich wusste bisher nicht, was ein Esel ist“, lachte Drago und gleich darauf stimmte der kleine Esel mit ein. 
„Wie heißt du?“, wollte Drago wissen. 
„Kasimir“, sagte der Esel. 
„Und was machst du so alleine hier draußen?“ 
„Ich hab mich verlaufen“, sagte Kasimir weinerlich. „Ich gehöre zu einer großen Karawane. Wir sind schon lange unterwegs und folgen einem Stern. Unsere Herren, das sind drei Könige, musst du wissen, sagen, dass der Stern uns zu einem kleinen Kind führt, das der Herr über die ganze Welt ist. Sie wollen ihm Geschenke bringen.“ 
„Ein Mensch?“, fragte Drago aufgeregt. „Du hast schon mal einen Menschen gesehen? Wie sehen die aus?“ 
„Komisch“, sagte Kasimir. „Sie gehen auf zwei Beinen und tragen seltsame Felle, die sie immer wieder wechseln. Kleider, nennen sie das. Einige von ihnen sind sehr freundlich, aber andere sind nicht nett. Die schlagen uns, wenn wir nicht das tun, was sie gerne hätten. Aber wir stellen uns dann stur, da können die dann machen was sie wollen“, fügte Kasimir stolz hinzu. 
„Ich möchte auch mal einen Menschen sehen“, sagte der kleine Drache wehmütig. „Kannst du mir nicht einen zeigen?“ 
„Wie denn?“, fragte Kasimir. „Ich hab doch meine Karawane verloren. Ich werd nie wieder zurückfinden. Bestimmt kommt bald ein Wolf und frisst mich auf.“ 
„Ach was“, sagte Drago. „Warte nur ab, bis es aufgehört hat zu regnen. Dann können wir meinen Stern wieder sehen und wenn wir ihm folgen, findest du deine Karawane wieder – und ich sehe endlich einen Menschen.“ 
„Also gut, wenn du meinst“, erwiderte da der kleine Esel. „Aber wann hört es auf zu regnen?“ 
„Das weiß ich leider auch nicht, da können wir nur warten. Komm, wir suchen uns eine trockene Stelle und bleiben da, bis der Regen aufgehört hat.“ 
Drago und Kasimir liefen im Dunkel weiter, bis sie an eine Stelle kamen, die geschützt lag. Dort setzten sie sich hin und rückten ganz eng zusammen. Auf diese Weise musste keiner von ihnen frieren und ehe sie es sich versahen, waren sie eingeschlafen. 
Sie erwachten erst wieder, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Erschrocken setzte sich Drago auf und Kasimir, der sich noch verschlafen die Augen rieb, sah ihn erstaunt an. „Was hast du denn?“ 
„Es ist schrecklich!“, rief der kleine Drache. „Schau nur, es ist schon hell. Jetzt können wir meinen Stern gar nicht mehr sehen!“ 
„Aber das macht doch nichts, wir haben doch jetzt die Sonne!“, lachte Kasimir und deutete zum Himmel. „Ich weiß genau, wie wir weiterlaufen müssen. Das hat mir meine Mama beigebracht. Komm, folge mir.“ 
Der kleine Esel wartete nicht darauf, dass der kleine Drache ihm folgte, sondern begann zu laufen. Drago zögerte nur kurz, dann lief er Kasimir nach. „Warte auf mich, ich komme!“ 
Den ganzen Tag lang wanderten Kasimir und Drago durch dürres Gestrüpp und über felsigen Boden. Am Anfang hatten auf ihren Weg noch Blumen geblüht. „Das hat der Regen gemacht. Sieht hübsch aus, nicht wahr?“, erklärte Kasimir dem kleinen Drachen. Doch je weiter sie liefen, desto weniger Blumen und desto mehr Sand gab es. 
„Das ist die Wüste“, sagte der kleine Esel. 
„Hier war ich schon mal, erwiderte Drago. „Ich habe eine Menge Tiere getroffen und es war schrecklich heiß. Müssen wir hier durch?“ 
„Nein, wir bleiben hier am Rand“, sagte Kasimir. „Aber vielleicht können wir eine Pause machen? Ich bin so müde und Durst habe ich auch.“ 
Der kleine Drache war ebenfalls durstig, doch so sehr sie auch suchten, sie konnten kein Wasser finden. Müde legten sie sich unter einen Felsvorsprung und schliefen erneut ein. 
Als sie das nächste Mal erwachten, war es bereits wieder dunkel. Drago sah zum Himmel und sofort erblickte er seinen Stern, der strahlend hell in der schwarzen Nacht leuchtete. 
„Kasimir, sieh nur!“, jubelte Drago. „Er leuchtet heller als zuvor. Bestimmt ist es nicht mehr weit. Schnell, lass uns weitergehen. Vielleicht haben wir ja deine Karawane bald eingeholt.“ 
Nun, da er den Weg auch selbst wieder sehen konnte, war Drago glücklich. Übermütig flog er manchmal ein Stück in den Himmel und schlug einen Salto. Dann kehrte er zur Erde zurück und lief weiter neben Kasimir her, der jedes Mal lachte, wenn der kleine Drache seine Kunststücke machte. 
Doch dann blieb Drago plötzlich stehen. 
„Was hast du?“, fragte der kleine Esel. 
„Mein Stern. Er ist stehen geblieben. Schau doch.“ 
Tatsächlich waren sie dem hellen Stern nun näher gekommen. Er leuchtete noch heller als zuvor und stand direkt über einen kleinen Hütte. 
„Das sieht aus wie ein Stall“, sagte Kasimir. „Und hier soll der Herrscher über die ganze Welt wohnen?“ 
„Ich kann deine Karawane nicht sehen“, sagte nun Drago. 
„Die sind schon wieder weg“, hörten sie eine tiefe Stimmer hinter sich. Erschrocken machte Drago einen Satz in die Luft und Kasimir schrie laut „Iah!“ 
„Keine Panik Leute“, sagte der kleine Stier und kam einen Schritt näher. „Ich bin’s doch nur, Salomon.“ 
„Und... was bist du?“, fragte Kasimir schüchtern. 
„Ich bin ein Stier“, antwortete Salomon. „Wenn ich groß bin, werd ich der stärkste Stier weit und breit.“ 
„Wenn du nicht vorher als Braten endest“, kicherte eine Stimme und vier weitere Tiere kamen näher. Sie waren kleiner als Salomon oder Kasimir und sahen sehr weich und kuschelig aus. 
„Dumme Schafe“, sagte Salomon beleidigt. 
„Deine Karawane war schon vor zwei Tagen da“, sagte eines der Schafe zu Kasimir. 
„Ja, das sah toll aus“, schwärmte ein anderes. 
„Aber nicht so toll, wie das kleine Kind“, sagte das kleinste der Schafe schüchtern. 
„Dann ist es also wahr?“, fragte Drago aufgeregt. „Es ist tatsächlich ein kleiner Mensch in dem Stall?“ 
„Ein kleiner und zwei große“, antwortete das größte Schaf bereitwillig. „Geh doch einfach mal hin und sieh es dir an.“ 
Doch nun wurde es dem kleinen Drachen mulmig. Er hatte noch nie einen Menschen gesehen. Wenn sie nun nicht nett waren? Würden sie ihn vielleicht wieder fortjagen? Kasimir hatte ja gesagt, dass es auch böse Menschen gab. 
„Geh nur“, sagte das Schaf aufmunternd und stupste Drago in die Seite. 
„Ja, sie sind wirklich sehr freundlich“, fügte das kleinste Schaf hinzu. 
„Nur, wenn du auch mitkommst, Kasimir“, sagte der kleine Drache schließlich. 
Der kleine Esel nickte eifrig. „Ja, ich komme gerne mit.“ 
„Ich auch“, fügte Salomon hinzu und auch die vier Schafe entschlossen sich dazu, mitzugehen. 
Je näher sie dem Stall kamen, desto langsamer wurde der kleine Drache, bis er schließlich vor der offenen Stalltür stehen blieb. Sollte er wirklich dort hineingehen? Er sah zum Himmel hinauf. Sein Stern stand genau über dem Stall und sein Funkeln sah so aus, als würde er sich freuen. 
Plötzlich wurde es hell im Türrahmen und ein Wesen trat aus der Tür, wie Drago noch keines gesehen hatte. Es war groß, ging auf zwei Beinen - und es hatte Flügel! Wie er selbst! 
Staunend vergaß Drago seine Angst und fragte: „Bist du ein Mensch?“ 
Das Wesen vor ihm lächelte jedoch nur und deutete ins Innere des Stalls. „Komm nur herein, kleiner Drache. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Auch du nicht, Kasimir. Kommt herein und seht euch das größte Geschenk an, das der Erde je zuteil wurde.“ 
Drago und Kasimir sahen sich an und tapsten dann Seite an Seite in den Stall. Sie sahen zwei weitere Wesen – diesmal ohne Flügel – die dort im Stroh knieten und sie freundlich anlächelten. Vor ihnen, in einer Futterkrippe, lag ein winziges Wesen, das sie aus großen Augen ansah. 
Das also, waren Menschen. Drago war begeistert. Bisher hatte er nur Tiere kennen gelernt. Er erkannte, dass es noch viel mehr zu entdecken gab. So schön er es hier fand und so sehr ihn dieser kleine Mensch auch faszinierte, so spürte der kleine Drache doch, dass es ihn fortzog. Hinaus in die weite Welt und hinein in die Abenteuer. 
„So ist es richtig“, hörte Drago die Stimme des geflügelten Wesens hinter sich. „Geh hinaus in die Welt und lerne von ihr. Erzähle allen unterwegs, was du hier gesehen hast und teile deine Freude mit den anderen Lebewesen.“ 
„Das werde ich tun!“, rief Drago erfreut aus. „Habt vielen Dank für alles.“ 
Er verabschiedete sich von Salomon und den Schafen und auch von Kasimir, dem kleinen Esel, der beschlossen hatte bei diesen Menschen im Stall zu bleiben. „Vielleicht brauchen sie mich ja noch“, hatte er zu Drago gesagt, der ihm viel Glück wünschte. 
Draußen vor dem Stall sah der kleine Drache wieder hinauf zu seinem Stern, der immer noch strahlend am Himmel stand, breitete seine Flügel aus und erhob sich in die Lüfte. 
„Zeig mir den Weg, Stern!“, rief er. „Hilf mir, diese Welt kennen zu lernen!“ 
Der Stern funkelte, als würde er blinzeln und begann wieder vor Drago herzuziehen. Es gab schließlich noch viel, was er dem kleinen Drachen zeigen konnte. 



©Petra Staufer